Blog_Die Erfolgsformel für eine starke Gemeinschaftsbildung: So entsteht von Anfang an ein solides Fundament für dein Gemeinschaftsprojekt!

Es gibt fünf essentielle Schritte, um eine (Wohn-)Gemeinschaft erfolgreich aufzubauen – vom ersten Treffen bis zum harmonischen Zusammenleben (und darüber hinaus). Die folgenden Schritte sind praxisnah und enthalten inspirierende Gruppenübungen zum Bilden einer starken Gemeinschaft.

Die Bauphase eines neuen Gemeinschaftshauses, einer Tiny Siedlung oder auch die Suche nach einem nutzbaren Objekt ist eine aufregende Zeit. Eine Bandbreite an Möglichkeiten steht noch offen und das erhebende Gefühl, dass der eigene Traum nun endlich Wirklichkeit wird, trägt einen. Herausforderungen gibt es da natürlich auch ohne Ende. Extrem wichtig also, jetzt auch den Überblick zu behalten und sich nicht zu verzetteln.

Noch während sich die Fundamente und Wände erheben und gegebenenfalls Rechtsform, Finanzielles und Logistisches zu klären sind, ist es mindestens genauso wichtig, die Grundlagen für die Gemeinschaft zu legen, die das Leben in diesem Haus im Sinne der Gründungsvision prägen werden. Hier ist ein Leitfaden, wie zukünftige Bewohner die Gemeinschaftsbildung erfolgreich gestalten.

1. Die gemeinsame Intention erschaffen

Der erste Schritt zur erfolgreichen Gemeinschaftsbildung ist die Beschäftigung mit den Werten der einzelnen Interessenten und daraufhin die gemeinsame Visionsfindung in Schritt 2. Gerade in dieser Phase ist es ausschlaggebend, individuelle Lebenseinstellungen, Wünsche und Werte anzuschauen und abzugleichen. Es geht darum, eine Kerngruppe zu bilden, die als Herzstück der Gemeinschaft fungiert. Sie besteht aus den engagiertesten und visionärsten Mitgliedern, die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen und die Gemeinschaft aktiv mitzugestalten. Sie fungiert sowohl als Entwickler des Projekts, als Katalysator für Prozesse und auch als Stabilitätsanker in schwierigen Zeiten. Die Kerngruppe verdient daher in den Workshops der Gemeinschaftsbildung und in gemeinsamen Aktivitäten die größte Aufmerksamkeit.

Jede/rTeilnehmerIn bringt natürlich ihre eigene Lebensgeschichte mit, ihre Erfahrungen und Werte. Diese Diversität ist dann eine Stärke, wenn sie gesehen und anerkannt wird und damit integriert werden kann. Ein erster Workshop, bei dem jeder seine individuellen Vorstellungen und Werte offenlegt, schafft Transparenz und Verständnis. So entsteht ein gemeinsames Bild, das die Bedürfnisse und Wünsche aller berücksichtigt. Und wer an dieser Stelle schon ganz andere Vorstellungen hat, erhält hier bereits die wertvolle Klarheit darüber, dass es für ihn besser ist, sich neu zu orientieren.

Eine mögliche Gruppenübung dazu ist der Wertebaum. Jeder Teilnehmer schreibt auf Blätter, welche Werte ihm wichtig sind, und diese Blätter werden an einen symbolischen Baum oder größere Zimmerpflanze gehängt. Anschließend werden die immer wieder genannten Werte als die wichtigsten 8 – 10 Werte der neuen Gemeinschaft noch einmal dicker hervorgehoben an den Baum gehängt. Es kann ein Video davon gemacht werden oder der Wertebaum steht später einfach im Eingangsbereich und dient als Grundstein und ständige Erinnerung an die gemeinsamen Werte, als das, was die Gemeinschaft manifestieren möchte und was sie zusammenhalten wird.

Auf dieser Basis kann es einen Workshop zum Erarbeiten der gemeinsamen Vision geben. Eine klare gemeinsame Vision und geteilte Werte schaffen die Grundlage für ein harmonisches Zusammenleben und verhindern vorab einige der Konflikte, die immer erst später entstehen (werden).

Alle ernsthaft infrage kommenden zukünftigen BewohnerInnen treffen sich hierzu zu einem Workshop, um ihre Vorstellungen und Erwartungen miteinander zu teilen. Eine moderierte Diskussion dient dazu, eine gemeinsame Vision zu entwickeln. Fragen wie „Wie stellen wir uns unser gemeinsames Leben vor?“ dienen dem Ausarbeiten von Eckpunkten und der schließlich der Herauskristallisierung der Essenz des Projekts. Letztlich ist es am kraftvollsten, wenn alle zukünftigen BewohnerInnen, die Hauptabsicht des Projekts in wenigen Sätzen formulieren können – in nicht mehr als 30 – 50 Worten.

2. Struktur und Organisation

Ein nächster Schritt ist die Festlegung einer klaren Organisationsstruktur. Dies umfasst die Definition von Rollen und Verantwortlichkeiten. Eine klare Struktur hilft, Missverständnisse und Konflikte zu vermeiden.

Es hat sich der folgende Workshop zur Rollenverteilung bewährt: Alle Teilnehmer werfen ihre Stärken und Interessen ins Feld, um gemeinsam zu erarbeiten, wer welche Aufgaben übernimmt, sei es im Bereich Finanzen, Veranstaltungen oder Haushalt. Zunächst reflektiert jede individuell ihre Fähigkeiten und Vorlieben. Anschließend stellt jeder seine Ausarbeitung vor, und die Gruppe diskutiert die verschiedenen Aufgabenbereiche. Durch eine offene Diskussion, Abstimmung und Anpassungen wird eine faire und effiziente Verteilung der Verantwortlichkeiten erreicht. Am Ende wird die erarbeitete Rollenverteilung dokumentiert und für alle zugänglich gemacht. Dies schafft Transparenz und stellt sicher, dass jeder seine Talente optimal einbringen kann.

Eine ebenfalls sehr wichtige Gruppenübung ist ein moderiertes Rollenspiel zur Entscheidungsfindung. Ihr simuliert im Rollenspiel eine typische Entscheidungssituation, um verschiedene Entscheidungsfindungs-Methoden wie etwa Konsent oder Mehrheitsentscheidungen zu üben.

3. Ich, die Gemeinschaft und unsere Kommunikation

In einer neuen Gemeinschaft ist eine offene, ehrliche und möglichst reflektierte Kommunikation von entscheidender Bedeutung. Sie ermöglicht es den Mitgliedern, ihre Gefühle und Bedürfnisse zu erkennen, zu kommunizieren und gemeinsam lebensbejahende, nicht unbedingt perfekte Lösungen zu finden. Ein wichtiger Aspekt dabei ist die emotionale Entladung, die es jedem Einzelnen für sich ermöglicht, belastende Emotionen aus alten Prägungen, die sich in Frustration und unangemessenen Reaktionen/Emotionen zeigen, bewusst zu machen und angemessen zu integrieren. Diese Praxis fördert nicht nur ein tieferes Verständnis für einen selber und sein Gegenüber, sondern ist auch der Kleber, der die familiäre Nähe und das Verbunden-Sein innerhalb der Gemeinschaft bewirkt.

Regelmäßige Gesprächskreise und Abende zum Üben gewaltfreier Kommunikation sind hierbei ganz genauso hilfreich. Durch solche Treffen wird eine Atmosphäre geschaffen, in der sich jeder gehört und gesehen fühlt, was die Grundlage für ein lebendiges Zusammenleben bildet. Auch hier gibt es hilfreiche Gruppenübungen wie etwa „Vertrauensfall“ oder das „blinde Führen“.

4. Gemeinsam nachhaltig leben?

Zur praktischen Umsetzung der Gemeinschaftsideen sind folgende Punkte auch einen Versuch wert:

• Unternehmt gemeinsame Aktivitäten, die gemeinsame Erfahrungen ermöglichen. Das verbindet und ist der „Livetest“ in Sachen Chemie. Kochabende, Feste oder Ausflüge machen Spaß und man erfährt, wie jemand tickt.

• Bei Bedarf kann ein Workshop zum nachhaltigen Leben und Ressourcenmanagement helfen, gemeinsam umweltfreundliche Praktiken zu entwickeln und umzusetzen.

• Sich kleine gemeinsame Projekte auszusuchen und schon mal zusammen umsetzen, wie zum Beispiel ein Gemeinschaftsbeet, schafft ein Gefühl dafür, wie ihr im Alltäglichen miteinander klarkommt.

5. Lernbereitschaft und das Leben genießen

Regelmäßige Redekreise/Reflexionsrunden, in denen die Gemeinschaftsprozesse angeschaut und reflektiert werden, sind essentiell. Es sind die Momente, in denen man sich auch nach Diskrepanzen oder schlechten Gefühlen wieder näherkommt. Basierend auf Feedback und Erfahrungen können Anpassungen vorgenommen werden, um die Gemeinschaft weiter zu stärken. Im Feedback- oder Gesprächskreis kann jede/r TeilnehmerIn konstruktive Rückmeldungen geben und erhalten. Dies ist ganz wundervoll, um dem Gemeinschaftsprozess immer wieder Leben und Authentizität einzuhauchen.

Fazit

Verpasse auf keinen Fall die Gemeinschaftsbildung schon während der Entstehungsphase eines neuen Wohnprojekts! Durch strukturierte Phasen, klare Kommunikation und Förderung von Zusammenarbeit und Vertrauen gelingt diese spannende und anspruchsvolle Aufgabe. Mit einem klaren Fokus auf die Hauptausrichtung der Gemeinschaft, Struktur und Kommunikation und dem Umgang mit Emotionen können zukünftige Mitbewohner eine stabile Basis für ihr gemeinsames Leben erschaffen. Eine kontinuierliche Lernbereitschaft ist eine wichtige Voraussetzung und mein „Geheimtipp“ zur Auswahl der Bewohner.

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