Von Menschen mit Einschränkungen gemeinschaftlich Wohnen lernen

Wir besprechen hier bewährte Methoden aus dem betreuten Clusterwohnen von Menschen mit Behinderungen, die Individualität, Gemeinschaftssinn und Toleranz stärken

Wie können individuelle Bedürfnisse und ein harmonisches Miteinander zusammenpassen?

In einer betreuten Cluster-Wohngemeinschaft können die BewohnerInnen zum Beispiel ihre Aktivitäten- und Essenspräferenzen entweder direkt in dafür vorgesehenen Gesprächskreisen mit den Betreuern besprechen oder diese auf einer dafür vorgesehenen Tafel festhalten.

Diese Präferenztafel ist eine innovative Methode, die aktive Beteiligung und Mitbestimmung der BewohnerInnen in Bezug auf alltägliche Entscheidungen und stärkt das Gefühl der Zugehörigkeit zur Gemeinschaft.

Studien zeigen, dass eine partizipative Entscheidungsfindung nicht nur das Selbstwertgefühl und die Autonomie der BewohnerInnen stärkt, sondern auch die Zufriedenheit und das Wohlbefinden innerhalb der Gemeinschaft erhöht. Indem die BewohnerInnen die Möglichkeit haben, ihre Vorlieben und Bedürfnisse für alle sichtbar zu machen, fühlen sie sich gehört und haben eine Stimme, die mitentscheidet, was getan wird und was passieren soll.

Der Gefühlsbriefkasten für emotionale Unterstützung

Der offene Austausch über Gefühle und Befindlichkeiten ist ein wichtiger Bestandteil des Gemeinschaftlichen Lebens – auch für Behinderte. Die Einführung eines Gefühlsbriefkastens kann diesen Austausch erleichtern, indem er den BewohnerInnen die Möglichkeit gibt, ihre Emotionen auf eine nonverbale Weise auszudrücken. Dies ist besonders für Menschen mit eingeschränkten sprachlichen Fähigkeiten oder kognitiven Beeinträchtigungen von Vorteil, da sie oft Schwierigkeiten haben, ihre Gefühle verbal auszudrücken. Aber auch längst nicht alle Menschen ohne Behinderungen sind es gewohnt, Gefühle zu verbalisieren. Für viele bedeutet es noch immer eine große Überwindung, die sie nicht immer schaffen.

Stattdessen Symbole und Bilder zu verwenden, ermöglicht es dem Einzelnen, sich dennoch auszudrücken und von der Gemeinschaft verstanden zu fühlen. Darüber hinaus fördert der Gefühlsbriefkasten ein Klima der Offenheit und Empathie innerhalb der Gemeinschaft, indem er den Bewohnerinnen einen sicheren Raum bietet, ihre Gefühle auszudrücken und Unterstützung von anderen Mitgliedern der Gemeinschaft zu erhalten.

Ziele für die Gemeinschaft

Regelmäßige Treffen, etwa im Redekreis oder zum Feedback Friday bieten einen strukturierten Rahmen für den Austausch von Ideen und die gemeinsame Planung von Aktivitäten zur Stärkung der Beziehungen innerhalb der Gemeinschaft. Denn Beziehung ist das A und O im Zusammenleben. Gelingt es, schwingt sich die Gemeinschaft auf ein neues schönes Niveau ein und bietet den Mitgliedern so viel an persönlichem Glück in Form von Angenommen- und Stimmigsein, wie es wohl kaum in anderen Lebensverhältnissen möglich ist.

Ein zentrales Element dafür kann im besten Fall das gemeinsam gewählte Gruppenziel sein, das darauf abzielt, Zusammenleben und Zusammenhalt innerhalb der Gemeinschaft zu fördern. Eine demokratische Auswahl und Umsetzung von Zielen stärkt das Gefühl von Eigenverantwortung und Mitbestimmung des Einzelnen in der Gemeinschaft und trägt dazu bei, ein positives und unterstützendes Umfeld zu schaffen. Indem die BewohnerInnen gemeinsam an einem Ziel arbeiten, entwickeln sie ein Gefühl der Verbundenheit und Zusammengehörigkeit, das weit über das irgendwann erreichte Ziel hinausreicht.

Rituale oder Spiele für eine tiefere Verbindung und persönliches Wachstum

Eine „Ich bin -Tafel“ kann den BewohnerInnen die Möglichkeit bieten, ihre individuellen Charaktereigenschaften, Vorlieben und Besonderheiten darzustellen. Diese, von jedem selbst gestaltete Tafel soll nicht nur als Ausdruck der eigenen Persönlichkeit dienen, sondern auch als Informationsquelle für andere Mitglieder der Gemeinschaft sowie für MitarbeiterInnen, Besucher, Interessierte und Helfer. Die Gemeinschaftsmitglieder haben so die nonverbale Chance, ihre Persönlichkeiten auf kreative Weise zu präsentieren. Auch das stärkt das Selbstwertgefühl und auf der anderen Seite auch das Gefühl, auch ein eigenes Individuum zu sein. Beide sind wichtig für eine gelingende Gemeinschaft: der Gemeinschaftssinn und damit die nötige Toleranz entwickeln, aber auch die individuellen Grenzen kennen. Dazu tragt die „Ich bin-Tafel“ bei. Auch sie dient dazu, die Beziehungen innerhalb der Gemeinschaft über das bessere Verstehen des Gegenübers zu vertiefen. Wer einen Mitmenschen von Innen heraus nachvollziehen kann, ist überhaupt erst bereit, sich aufeinander zu zu bewegen und Verbindung aufzubauen.

Fazit

Verschiedene Skills, Tools und Initiativen können genutzt werden, um individuelle Bedürfnisse innerhalb der Gemeinschaft in Einklang zu bringen mit dem Bemühen um ein harmonisches Zusammenleben. Durch die Förderung von aktiver Beteiligung, gegenseitigem Respekt und gemeinsamen Zielen lässt sich eine Atmosphäre schaffen, die Raum für persönliches Wachstum, Unterstützung und Gemeinschaft bietet. Wenn sämtliche Mitbewohner dazu in der Lage sind, ihre Stimme zu erheben und an der Gestaltung ihres gemeinschaftlichen Lebens teilzunehmen, stärkt dies ihr Selbstwertgefühl und ihre Zugehörigkeit. Dies trägt nicht nur zum individuellen Wohlbefinden der Mitbewohner bei, sondern auch zur Schaffung einer lebendigen, inklusiven Gemeinschaft, in der jeder geschätzt und wirklich gesehen wird.